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Ist eine Loss-of-Licence-Klausel sinnvoll?

Loss-of-Licence-Klausel

Autoren: Christian Heß, Experte für Arbeitskraftabsicherung/Loss of Licence  & Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht

 

“Für Piloten und Fluglotsen ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung ohne Loss-of-Licence-Klausel praktisch wertlos!” Solche und ähnliche Sätze lesen wir leider viel zu oft.

In diesem Artikel wollen wir mit dieser pauschalen Aussage aufräumen, denn solche Sprüche sind nicht mehr als der Versuch zu verunsichern. Pauschale  Aussagen dieser Art können nicht richtig sein. Es bedarf immer einer Einzelfallbetrachtung. Eine Loss-of-Licence-Klausel hat zwar den Vorteil, dass ein Leistungsfall einfacher nachgewiesen werden kann, aber bestehender Versicherungsschutz sollte auf keinen Fall achtlos und ungeprüft gekündigt werden.

In diesem Artikel haben wir zusammengefasst, was der Unterschied zwischen einer Loss-of-Licence-Klausel und Berufsunfähigkeit ist.

Was bedeutet eigentlich berufsunfähig?

Unmittelbare Berufsunfähigkeit wird üblicherweise  als “infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall” definiert. Die Grundlage liefert der §172 VVG, welcher erstmal die unmittelbare Berufsunfähigkeit meint. Hier steht, dass die versicherte Person in Folge Krankheit, Körperverletzung und/oder Kräfteverfall so erheblich gesundheitlich beeinträchtigt sein muss, dass sie  zu mind. 50 % ihrer Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf eingeschränkt ist.

Vereinfacht kann man sich das so vorstellen: Der Versicherer benötigt  ein medizinisches Gutachten und eine ausführliche Tätigkeitsbeschreibung. Anhand der gesundheitlichen Situation im Vergleich zum Zustand vor der gesundheitlichen Einschränkung ermittelt er so den Grad der Berufsunfähigkeit in Bezug auf die Tätigkeit in gesunden Tagen.

Der Paragraph 172 VVG  schließt aber auch die mittelbare Berufsunfähigkeit ein.

Mittelbar berufsunfähig kann man  unter anderen auch sein, wenn “infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall” ein behördliches Berufs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen wird.

Wird aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ein Berufsverbot (Lizenzverlust) ausgesprochen, dann ist man unter Umständen gesundheitlich noch im bedingungsgemäßen Umfang fähig weiter zu arbeiten. Hierbei handelt es sich um einen Grenzfall der „mittelbaren” Berufsunfähigkeit. Durch so ein Berufsverbot besteht nicht mehr die Möglichkeit den Beruf auszuüben. Die Einschränkung besteht somit zu 100%, die Frage ob die Tätigkeit zu mehr als 50% eingeschränkt ist, wird somit obsolet.

Wie wird eine Untauglichkeit festgestellt?

Bei Fluglotsen und Piloten muss in regelmäßigen Abständen die Flugtauglichkeit überprüft werden. Dies geschieht bei einem Fliegerarzt. Ein Fliegerarzt ist ein Arzt, der behördlich bestellt ist, die für Lizenzen von Piloten und Flugsicherungspersonal erforderliche medizinische Begutachtung durchzuführen. Dies gilt für den Erwerb und Erhalt der Flugtauglichkeit. Umgangssprachlich wird diese Untersuchung „Medical“ genannt.

Piloten sind Inhaber eines Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 1, Fluglotsen der Klasse 3. Wird bei der regelmäßigen Untersuchung festgestellt, dass die gesundheitlichen Vorrausetzungen für der Erhalt der jeweiligen Lizenz nicht mehr gegeben sind, kann der Fliegerarzt einer Verlängerung der Lizenz widersprechen.

Leistung vom Arbeitgeber

Mit Ablauf der vereinbarten Lohnfortzahlung endet die Gehaltszahlung vom Arbeitgeber. Einige  Arbeitgeber stellen ihren Mitarbeitern eine zusätzliche finanzielle Absicherung bei Untauglichkeit zur Verfügung. Dies kann in Form einer monatlichen Rente oder als Einmalzahlung sein.

In der Praxis:

Ein  Fluglotse, bei dem eine Diabeteserkrankung festgestellt wird,  wird  mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Tauglichkeitszeugnis entzogen. Er gilt als fluguntauglich. Dies wäre ein Leistungsauslöser einer Loss-of-Licence-Klausel. Es würde jedoch keine unmittelbare Berufsunfähigkeit vorliegen, solange keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen, die die berufliche Tätigkeit zu mehr als 50 % einschränken.

Weil der Fluglotse nun aber kausal infolge der Krankheit unfähig ist zu arbeiten (ohne Krankheit gäbe es kein Berufsverbot), wäre in diesem Fall der Leistungsauslöser die mittelbare Berufsunfähigkeit. Denn es wäre kein sinnvolles Arbeitsergebnis mehr möglich. Wer nicht arbeiten darf, kann halt nicht arbeiten.

Weitere Berufsverbote:

Auch Mitarbeiter in der Lebensmittelbranche und im Gesundheitssystem unterliegen einer ähnlichen Regelung. Laut Infektionsschutzgesetz kann die zuständige Behörde einem Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen (berufliches Tätigkeitsverbot).

Wenn eine Berufsunfähigkeitsversicherung keine Infektionsklausel enthält, die diesen Fall zugunsten des Versicherungsnehmers regelt ist die Berufsunfähigkeit eigentlich nicht gegeben, da der Betroffene aufgrund seines Gesundheitszustandes noch arbeiten kann, es aber (nur) rechtlich nicht mehr darf. Nun steht in  § 172 Abs. 2 VVG und in den Bedingungen aber die Formulierung, dass die Berufsunfähigkeit „infolge” oder „durch” Krankheit” etc. eintreten muss. Dies erfordert Kausalität zwischen der medizinischen Seite und der Unfähigkeit, den Beruf weiter auszuüben.

Kausalität kann gegeben sein, wenn ein Mediziner, der Hepatitis oder andere Infektionen hat.  Dann kann es sein, dass der Betroffene „nur“ infiziert ist und die Krankheit „noch“ nicht akut ist. Dennoch gilt er  im medizinischen Sinne als erkrankt.

Ein Koch beispielsweise, ist so lange krank und arbeitsunfähig, solange er Krankheitserreger/Viren ausscheidet. Die „Krankheit“ endet erst, wenn  die Beendigung der Ansteckungsgefahr festgestellt wird.

Rechtliche Vorteile der Loss-of-Licence-Klausel

Eine Loss-of-Licence-Klausel hat den rechtlichen Vorteil, dass ein Leistungsfall einfacher und schneller nachgewiesen werden kann und der Versicherer so in die Leistungsverpflichtung kommt. Denn der Tatbestand der Loss-of-Licence-Klausel ist in der Regel schnell erfüllt. Umständlicher ist der Weg über die übliche Klausel der „normalen“ Berufsunfähigkeit. Hierbei ist der Versicherte in der Beweislast dafür, dass die zuletzt in gesunden Tagen konkret ausgeübte Tätigkeit zu mindestens 50% nicht mehr ausgeübt werden kann. So kann es sein, dass der Pilot / Fluglotse zwar keine Lizenz mehr dafür hat, seinen Beruf auszuüben, jedoch seine zuletzt in gesunden Tagen konkret ausgeübte Tätigkeit noch zu mindestens 50% – medizinisch gesehen – ausüben könnte. Es würden somit grundsätzlich keine Leistungen aus der Versicherung fällig werden, gleichwohl über eine Loss-of-Licence-Klausel denkbar schon.

Der Weg über die BU-Klausel ist natürlich nicht unmöglich, jedoch umständlicher. Einfacher ist es für den Versicherten die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag über die LoL-Klausel zu erhalten. Aus diesem Grund sollte auch bestehender Versicherungsschutz auf keinen Fall ungeprüft gekündigt werden. In der Regel sprechen keine Gründe für die Kündigung eines für den Versicherten rechtlich günstigen Versicherungsschutzes. Die Einbeziehung von besonderen „Berufsklauseln” ist stets rechtlich vorteilhaft für die Versicherten. Denn die Leistungspflicht des Versicherers ist konkret an das Vorliegen bestimmter, dafür erforderlicher Voraussetzungen geknüpft. Die Leistungsvoraussetzungen des Versicherers werden – hier am Beispiel der LoL-Klausel – vertraglich gesehen konkreter gefasst als die üblichen BU-Klauseln. Dadurch werden die Leistungsvoraussetzungen des Versicherers konkretisiert und klarer gestellt. Dieses minimiert mögliche Meinungsverschiedenheiten mit dem Versicherer erspart bestenfalls Rechtstreitigkeiten.

Fazit

Die oben genannten Beispiele zeigen, dass für einen Piloten oder Fluglotsen eine Berufsunfähigkeitsversicherung ohne Loss-of-Licence-Klausel nicht völlig wertlos ist, sondern dass aufgrund der mittelbaren Berufsunfähigkeit eine Leistung der vereinbarten Rente durchaus möglich ist. Ebenso kann es natürlich auch sein, dass eine unmittelbare Berufsunfähigkeit vorliegt, was den Weg zur Leistungserbringung erleichtern würde.

Eine gute Loss-of-Licence-Klausel ist aber nach wie vor der einfachste Weg zur Zahlung der vereinbarten Rente. Der Nachweis muss lediglich durch die bestätigte Fluguntauglichkeit durch einen Fliegerarzt erbracht werden. Sind die weiteren Vorrausetzungen (z.B. Dauer) erfüllt, wird die Loss-of-Licence-Rente gezahlt. Da jedoch die Klausel auch darauf abstellt, dass der Versicherte aus „gesundheitlichen Gründen” nicht mehr flugtauglich ist, ist dem Versicherer ein entsprechender Gegenbeweis nicht abgeschnitten. Er kann darlegen und muss dies im Bestreitensfall auch beweisen, dass der Versicherte aus anderen als gesundheitlichen Gründen nicht mehr fliegen soll.

Besonders wichtig ist bei einer Loss-of-Licence-Klausel die genaue Definition von Leistungsausschlüssen. Denn oft sind Loss-of-Licence-Klauseln bei rein psychischen Erkrankungen nicht wirksam. Wird man aufgrund einer vom Versicherungsschutz ausgeschlossenen Erkrankung untauglich, so besteht aufgrund der Loss-of-Licence-Klausel kein Anspruch auf eine Leistung des Versicherers.

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