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Die Verweisung und die Lebensstellung für Ingenieure in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Lebensstellung Ingenieur

Die Verweisung und die Lebensstellung für Ingenieure in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Wir nehmen einmal an, Du bist berufsunfähig. Du kannst also Deine aktuelle Tätigkeit als Ingenieur, so wie Du sie in gesunden Tagen ausgeübt hast für voraussichtlich mindestens 6 Monate nur noch zu max. 50% ausüben.
Könntest Du jetzt rein theoretisch noch eine andere Tätigkeit ausüben, die mit dem zuletzt ausgeübten Beruf vergleichbar ist und die Deiner bisherigen Lebensstellung entsprechen würde, dann wird ein Versicherer nicht zahlen, wenn er die sogenannte „abstrakte Verweisung“ in seinen Bedingungen stehen hat. Es kommt in dem Falle nur darauf an, dass Du rein theoretisch, also rein abstrakt noch eine andere zumutbare Tätigkeit ausüben könntest – nicht, dass Du sie konkret auch tatsächlich ausübst.

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Auf diese abstrakte Verweisung verzichten die meisten Versicherer heutzutage in Ihren Bedingungen. Teils ergibt es sich aus den Formulierungen, teils steht es auch konkret im Bedingungswerk. Z.B. steht dann dort „wir verzichten auf die abstrakte Verweisung“.
Aber es gibt auch noch einige Tarife die nicht darauf verzichten und vor allem gibt es noch sehr viele alte Verträge bei denen die abstrakte Verweisung noch beinhaltet ist. Hast Du also bereits einen alten bestehenden Tarif, lass diesen unbedingt auf seine Qualität hin prüfen, denn die Vertragswerke sind in den letzten Jahren sehr viel besser geworden.

Es gibt aber noch eine andere Verweisung in den Bedingungen. Das ist die „konkrete Verweisung“. Du kannst es Dir bereits denken, diese wird dann geprüft, wenn Du konkret – also tatsächlich – eine neue Tätigkeit ausübst. Dann wird Dein Versicherer prüfen, ob Du für Deine neue Tätigkeit über die passende Ausbildung und Erfahrung verfügst und ob Deine neue Tätigkeit Deiner ursprünglichen Lebensstellung entspricht.

Wie würdest Du Deine „Lebensstellung“ definieren? Welche Kriterien würdest Du heranziehen? Die Berufsunfähigkeitsversicherer ziehen als Kriterien Dein Einkommen heran, dass Du im zuletzt ausgeübten Beruf verdient hast und Dein soziales Ansehen.

Dein zuletzt ausgeübter Beruf meint die Tätigkeit, die Du ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zuletzt ausgeübt hast, bevor Deine gesundheitlichen Probleme begannen. Das Einkommen ist dabei zwar ein objektiv messbarer Wert, aber um wieviel Prozent ist eine Minderung Deines ursprünglichen Einkommens noch zumutbar? Und ab wann ist eine Minderung nicht mehr zumutbar?
Beim sozialen Ansehen kann es im Einzelfall recht einfach sein, es kann aber auch schwierig werden. Jeder wird sicherlich bestätigen, dass ein Arzt ein hohes soziales Ansehen genießt und ein Versicherungsvermittler ein geringes. Auch ein Richter und ein Feuerwehrmann haben ein höheres soziales Ansehen als ein Gebrauchtwagenhändler oder ein Müllmann. Aber wie sieht es aus beim Maschinenbauingenieur im Vergleich zum Wirtschaftsingenieur aus? Beim Buchhalter gegenüber dem Personalreferenten oder beim Fahrradhändler gegenüber dem Blumenhändler?

Die Lebensstellung

Deine Lebensstellung setzt sich also aus Einkommen und sozialem Ansehen zusammen. Beides sind erst einmal sehr dehnbare Begriffe und das Gesetz hilft uns hier nicht – es gibt im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) keine exakte Definition der Lebensstellung.
Die Lebensstellung gilt üblicherweise in den Bedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherungen dann als nicht mehr gewahrt, wenn entweder das Einkommen, oder die soziale Wertschätzung spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes fällt.

Was bedeutet „spürbar“?

In welchem Umfang eine Minderung des Einkommens oder der sozialen Wertschätzung also noch zumutbar ist und ab welcher Minderung die Lebensstellung nicht mehr gewahrt ist, muss im Einzelfall zwischen Versicherer und Anspruchssteller entschieden werden – im Zweifel mit Hilfe eines Gerichts.

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Du kannst davon ausgehen, dass der Versicherer Deine Lebensstellung länger als „gewahrt“ betrachtet, als Du das selbst tust. Du solltest schon aus diesem Grund grundsätzlich immer eine Rechtsschutzversicherung abschließen, bevor Du einen Antrag auf Leistung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung für Ingenieure stellst.

Zusätzlich solltest Du aber nur eine solche Berufsunfähigkeitsversicherung auswählen, bei der in den Bedingungen die Höhe der zumutbaren Einkommensreduktion als fester Prozentsatz festgelegt ist. Meist wird hier eine maximal zumutbare Einkommensreduktion von 20% festgelegt. Einen höheren Prozentsatz solltest Du nicht akzeptieren und auch wenn der Prozentsatz komplett fehlt, ist das schlecht.

Optimal ist es, wenn darüber hinaus im Einzelfall auch eine geringere Einkommensreduktion als unzumutbar gelten kann – denn je geringer das Einkommen, desto eher kann auch bereits eine sehr kleine Einkommensreduktion unzumutbar sein.

Ein Beispiel für eine Klausel, die max. 20% Einkommensreduktion festlegt:

Hier ein Beispiel für eine gut formulierte Klausel:
„Berufsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn die versicherte Person eine andere Tätigkeit konkret ausübt und die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Das Leistungsvermögen der versicherten Person für die neue Tätigkeit (…) muss mindestens 50% betragen.
  • Die versicherte Person muss über die Ausbildung und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung der neuen Tätigkeit erforderlich sind.
  • Die Tätigkeit muss der bisherigen Lebensstellung der versicherten Person entsprechen.

Die bisherige Lebensstellung ergibt sich aus dem erzielten Einkommen und der sozialen Wertschätzung des Berufs. Eine der bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit wird ausgeübt, wenn das erzielte Einkommen nicht spürbar unter das Niveau des zuletzt erzielten Einkommens absinkt. Auch die soziale Wertschätzung muss vergleichbar sein. Eine Minderung des Bruttoeinkommens von 20 Prozent oder mehr gegenüber dem Bruttoeinkommen des bisher ausgeübten Berufs ist nicht zumutbar. Sollte die künftige Rechtsprechung geringere Zumutbarkeitsgrenzen festlegen, werden wir diese Grenzen zu Ihren Gunsten anwenden. In begründeten Einzelfällen kann auch eine Einkommenseinbuße unter 20 Prozent unzumutbar sein“.

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Diese Klausel berücksichtigt alle notwendigen Punkte. Die maximal zumutbare Einkommensreduktion ist grundsätzlich auf 20% des Bruttoeinkommens aus gesunden Tagen begrenzt, aber bereits heute kann auch bereits eine geringere Einkommensreduktion unzumutbar sein.

Dagegen ein Beispiel wie es nicht sein sollte:

Die nachstehende Klausel dagegen lässt sehr viel Interpretation zu und müsste im Falle des Falles vor Gericht entschieden werden müssen:
„Unter dem Begriff der bisherigen Lebensstellung ist sowohl das erzielte Einkommen als auch das soziale Ansehen der bislang ausgeübten beruflichen Tätigkeit zu verstehen. Dabei ist für die versicherte Person eine zumutbare Einkommensreduzierung möglich. Diese wird von uns je nach Lage des Einzelfalls auf die im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegte Größe im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung begrenzt.“
Hier findet sich weder eine klare 20%-Regelung, noch die Festlegung im begründeten Einzelfall auch geringere Prozentsätze anzuerkennen.
Achte daher immer auf eine sauber formulierte Klausel bei der konkreten Verweisung. Auf die abstrakte Verweisung dagegen sollte Dein Versicherer immer komplett verzichten.

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